Es haben bis heute 259 (Anmerk: diese Heiligenlegende ist von 1858) Päpste den Stuhl des heiligen Petrus eingenommen und die Kirche Gottes regiert; viele derselben haben heilig gelebt, haben selbst ihr Blut für Jesus vergossen, aber wenige haben für die Reinheit des heiligen Glaubens, für die Erhaltung und Verfassung der heiligen Kirche so Großes gewirkt wie der heilige Papst Leo, der wahrhaft durch die Kraft seines Geistes und seinen unbeugsamen Mut ein Löwe gewesen, was sein Name bedeutet.
Damit du aber die Wahrheit dessen einsiehst, musst du die Zeit verstehen, lieber Leser, in welcher dieser heilige Papst gelebt und gewirkt hat. Im Jahre 440 wurde er zum Papste gewählt. Das römische Volk und die ganze Christenheit jubelte bei der Nachricht seiner Wahl, denn er war ein gar frommer, gelehrter und vor allem starkmütiger Mann, und ein solcher Mann war um diese Zeit für die heilige Kirche gerade notwendig.
Die Gothen und die Hunnen, zwei große wilde Völker, durchzogen sengend und brennend Europa und verheerten Dörfer und Städte mit Feuer und Schwert; nirgends war Friede und Ruhe zu finden und es schien, als sollte besonders der heilige Christusglaube von der Erde vertilgt werden.
Drüben in Afrika lauerte ein anderer grausamer König mit seinem Volke auf die nächstbeste Gelegenheit, um ebenfalls über Italien hereinzubrechen und am allgemeinen Raube Teil zu nehmen. Dazu kamen die zahlreichen Ketzereien, welche noch schrecklicher als die wilden Barbaren, die Kirche Gottes zu verwüsten und den heiligen Glauben zu vernichten drohten.
Alles, was dem Menschen lieb und teuer ist, stand damals auf dem Spiele; ein schrecklicher Sturm brauste über die Erde hin und mitten im Sturme saß der heilige Papst Leo im Schifflein Petri. Der Sturm und die Wellen suchten das Schifflein zu verschlingen, doch Leo verzagte nicht: im Vertrauen auf Jesus, der seine Kirche nie verlässt, lenkte er das Schifflein mitten durch Sturm und Wellen und bestand siegreich den Kampf für die heilige Sache Gottes. Wie er dies vollbracht, das sollst du nun vernehmen.
Im Jahre 451 zog Attila, König der Hunnen, welcher sich selbst die Geißel Gottes nannte, mit einer unzählbaren Schaar wilder Krieger nach Frankreich; alle Städte brannte er auf seinem Wege nieder, nur Paris wurde durch das Gebet der heiligen Genovefa gerettet, und die Stadt Troyes verschonte er auf die Fürbitte des heiligen Bischofs Lupus. Bei der Stadt Chalons kam es zur Schlacht mit den Römern. Attila wurde geschlagen.
Voll Wut und Ingrimm zog er sich wieder in sein Land zurück, ruhte dort einige Zeit aus und stürmte dann nach Italien. Das Blut floß in Strömen, selbst des Kindes im Mutterleibe wurde nicht geschont; Niemand konnte der Macht des wilden Königs widerstehen; keine Stadt war zu fest, die er nicht niederstürzte und verbrannte; Rauch und Flammen, Blut und Angstgeschrei bezeichneten den Weg, den dieser Wüterich ging. Was fliehen konnte, eilte zum Ufer des Meeres, um auf einsamen Inseln dem schrecklichsten Tode zu entgehen.
Attila stand mit feinen Schaaren vor den Toren der Stadt Rom. In dieser unbeschreiblichen Not nun erhob sich der heilige Papst Leo; er wollte die Schwachen beschützen, die Stadt Rom und ihre Einwohner vom Untergange retten. Im Vertrauen auf den Beistand nahm er seinen Bischofsstab in die Hand und ging dem fürchterlichen Attila mit seiner Geistlichkeit in priesterlichem Kleide entgegen.
Attila war klein, aber sehr stark; sein Blick war so scharf, dass ihn Niemand ertragen konnte; Schlachten und Morden war seine Luft. Als der heilige Papst vor ihn trat, befand er sich mitten unter seinen wilden Soldaten, die über den Mut des Papstes staunten.
Das Treffen von Papst Leo und Attila Francesco Solimena (1657-1747) |
Vor Furcht über die erhabene Majestät des Papstes sprach er zu ihm: „Wer du auch seiest, Mensch oder Engel, Rom und Italien verdanken dir ihre Rettung. Du hast in einem Augenblick mit wenigen Worten zu Stande gebracht, was der Kaiser mit all seinen Kriegsheeren nicht vermochte. Danke Gott, dem du dienst, Attila erkennt dir und ihm den Sieg zu."
Als aber seine Krieger unwillig hierüber murrten und sich wunderten, wie er einem wehrlosen Priester weiche, antwortete er ihnen, er hätte an der Seite des Papstes zwei Männer von ehrwürdigem Ansehen und in priesterlicher Kleidung mit gezücktem Schwerte gesehen, die ihm mit dem Tode gedroht, wenn er den Worten Leos nicht Gehör gebe.
Es waren aber diese zwei Männer die heiligen Apostel Petrus und Paulus.
Attila kehrte mit seinen Kriegshorden heim, auf dem Wege starb er im Jahre 453; Rom war durch den heiligen Leo gerettet. Unbeschreiblich war der Jubel, mit welchem die bangen Römer den heiligen Vater empfingen; sein Lob war in aller Munde; er aber schrieb die Ehre allein Gott dem Herrn zu, dem er auch feierlich seinen Dank darbrachte.
Ein paar Jahre später sollte Papst Leo abermals der Retter Roms werden. Der König der Wandalen, Genserich, landete mit einem zahlreichen Kriegsheere an dem Ufer Italiens, um die Stadt Rom einzunehmen, zu plündern und zu zerstören. Leo machte sich sogleich auf, um als Bote des Friedens in das Lager des Feindes zu gehen.
Diesmal gelang es ihm aber nicht, die Strafrute Gottes ganz zurückzuhalten; zu große Verbrechen waren in der Stadt begangen worden; sie sollten gestraft werden. Leo erhielt auf seine Bitten vom Könige Genserich zwar die Zusage, daß die Einwohner der Stadt und drei Hauptkirchen sollten verschont werden, aber die Stadt selbst wurde 14 Tage lang von dem Feinde geplündert und ihrer kostbarsten Schätze beraubt.
So verwaltete der heilige Papst Leo das schöne Amt eines Beschützers der Schwachen, eines Gesandten des Friedens, eines Erretters aus Gefahr und Untergang. Die herrliche Stadt Rom, sie stünde nicht mehr, hätte Leo sich nicht mutvoll dem Wüterich Attila entgegengestellt.
Zeigt sich der heilige Papst hierin groß, größer noch zeigt er sich in seinem siegreichen Kampfe gegen Irrtum und Lüge. Er war die Geißel der Ketzer und während rings um ihn herum die Schwerter der Feinde klirrten und blutige Schlachten geschlagen wurden, schwang er, der heilige Papst, die Waffen des heiligen Glaubens, um die Feinde der heiligen Kirche Gottes zu demütigen und zur Wahrheit zurückzuführen oder unschädlich zu machen.
Es gelang ihm auch, vielen Verirrten die Augen zu öffnen und der Wahrheit wieder zu gewinnen. Der größte und wichtigste Kampf, den der heil. Papst aber gekämpft und siegreich bestanden, war der Kampf gegen den Erzketzer Eutyches.
Derselbe war Abt in einem Kloster zu Konstantinopel und stellte die falsche Behauptung auf, dass Jesus nur Gott, und nicht auch Mensch gewesen, dass er also nur eine einzige, die göttliche Natur angenommen habe. Jesus sei, so behauptete er, nur dem Scheine nach aber nicht wirklich Mensch gewesen. Er leugnete also die Menschwerdung Jesu Christi, des Sohnes Gottes aus Maria der Jungfrau.
Gegen diese gefährliche Ketzerei erhob sich sogleich, als er davon hörte, mit aller Kraft der heilige Papst Leo, als Wächter des Glaubens und der reinen Lehre. Er schrieb einen langen Brief an den Erzbischof von Konstantinopel, in welchem er klar und deutlich die wahre Lehre der Kirche über die Menschwerdung Christi erklärte.
Ehe er aber diesen wunderbar schönen Brief schrieb, begab sich der heilige Papst zu den Gräbern der heiligen Apostel Petrus und Paulus; dort betete er unter strengem Fasten drei Tage lang; nachdem er den Brief geschrieben, legte er ihn auf das Grab des heiligen Petrus und flehte ihn, den heiligen Apostelfürsten, an, er möge nun erleuchtet im Himmel von den Strahlen des heiligen Geistes, an diesem Briefe verbessern und ergänzen, was darin fehlerhaft wäre.
Als nun der heilige Papst nach langem Gebete sich erhob und das Schreiben vom Grabe wegnahm, fand er wirklich ganze Stellen in demselben umgeändert. Dieser Brief nun, den der heilige Leo an den Erzbischof Flavian von Konstantinopel absendete, um denselben im heiligen Glauben zu stärken und zum Kampfe gegen die Lüge zu ermuntern, wurde auch feierlich auf dem Konzil zu Chalzedon, einer Stadt am Meere, Konstantinopel gegenüber, vorgelesen. Hier stand die prächtige Kirche der heiligen Euphemia auf einer Anhöhe; in dieser Kirche nun versammelten sich auf Veranlassung des heiligen Papstes Leo und unter dem Vorsitze seiner Gesandten 530 Bischöfe.
Kaum war der Brief des heiligen Papstes abgelesen, als alle Bischöfe wie aus einem Munde riefen: „Dies ist der wahre Glaube; dies die uralte, reine Lehre der Kirche. Der heilige Petrus selbst hat durch den Mund Leos gesprochen; Fluch über jeden, der sich den Aussprüchen des heiligen Geistes nicht fügt. Die Ketzerei des Eutyches wurde verdammt und die reine, heilige Lehre von der Menschwerdung des Sohnes Gottes der ganzen Welt wieder vor Augen gestellt. — Nachdem auf solche Weife der heilige Papst unermüdet durch Schrift und Wort gegen Un- und Irrglauben gekämpft, richtete er auch sein Augenmerk auf die Verbesserung der Sitten.
Die vielen Kriege und die Verheerungen, welche sie in den Ländern anrichteten, hatten auch die guten Sitten der Geistlichen und Völker verdorben.
Leo suchte zu helfen und vor Allem die Priester wieder auf die Bahn der Tugend zurückzuführen; denn von den Priestern, wenn sie fromm und heilig leben, geht alles Gute aus, wenn sie aber den Weg der Heiligkeit verlassen, alles Verderben; daher pflegte auch Leo zu sagen:
„Der unbescholtene Wandel der Vorsteher, der Bischöfe und Priester ist das Leben der Untergebenen."
Er suchte daher zum geistlichen Stande nur die würdigsten Männer aus und erteilte nur denen die heilige Weihe, von denen er wußte, daß sie einen frommen Lebenswandel führten. Zu dieser Vorsicht wurde er durch ein himmlisches Gesicht angetrieben.
Als er nämlich seiner Gewohnheit nach einst am Grabe des heiligen Petrus vierzig Tage im Gebete zugebracht hatte, um durch die Fürbitte des heil. Apostels die Nachlassung seiner Sünden zu erlangen, erschien ihm der heilige Petrus und sprach: „Ich habe für dich gebetet; deine Sünden sind verziehen; siehe aber wohl zu, wem du die geistlichen Weihen erteilst; denn darüber wirst du strenge Rechenschaft ablegen müssen."
Der heilige Leo befolgte genau den Auftrag und bald zeigte sich bei Geistlichkeit und Volk ein besseres Leben.
So regierte der heilige Leo in einer jammervollen stürmischen Zeit mit Kraft und Weisheit das Schifflein der Kirche einundzwanzig Jahre lang. Kein Leiden, keine Gefahr beugte seinen Mut; unerschütterlich war fein Vertrauen auf Jesus, den er über alles liebte; unaufhörlich betete er um die Einheit des heiligen Glaubens
und Ausrottung alles Irrtumes.
Die Armen betrachtete er als kostbare Glieder Jesu, ungeheure Summen ließ er jährlich unter sie verteilen; kein Unglücklicher, kein Trauernder ging ohne Hilfe und Trost von ihm weg. Er war ein wahrhafter Vater des Volkes und Retter des Vaterlandes; und obwohl Gott so große Dinge durch ihn vollbrachte, war und blieb er
doch immer vom Herzen demütig.
Reich an Verdiensten bei Gott und Menschen starb er am 10. November 461. Die Kirche nennt ihn den Heiligen, die Geschichte den Großen und die heiligen Konzilien der Bischöfe seiner Zeit nennen ihn einen Pfeiler und unerschütterlichen Felsen der Wahrheit. Sein Andenken feiert die Kirche am 11. April. Er wird abgebildet in päpstlicher Kleidung, schreibend in einem Buche.
Das Leben dieses heiligen Papstes zeigt dir wieder klar, lieber Leser, wie Gott immer in Zeiten großer Gefahr Männer erweckt, um die heil. Güter der Menschheit, nämlich Wahrheit und Tugend, gegen die Angriffe der Feinde zu verteidigen und die heilige katholische Kirche mitten in den Stürmen zum Siege zu führen.
O freue dich und danke Gott, dieser heiligen Kirche anzugehören und zage nicht, wenn Bosheit, Irrtum und Lüge das Haupt erhebt, um den Felsen der Arche, auf welchen sie Jesus gebaut, zu zerstören; sie vermögen es nicht. Sie können ankämpfen, aber nimmermehr siegen; die Kirche triumphiert, sie aber werden von den Wellen verschlungen!!
Gebet. O Herr und Gott, gib mir die Gnade, dass ich immer ein treues, gehorsames Kind deiner heiligen katholischen Kirche bleibe, und von ihrem Glauben erleuchtet, das Heil meiner Seele wirke.
Lehrreiche Worte des heiligen Papstes Leo.
Wie Gott unermesslich ist, so soll auch die Liebe keine Grenzen haben. Ohne Liebe kann der Mensch nicht sein; er liebt entweder Gott oder die Welt. — Jeder liebt sich um so mehr, je mehr er aus Liebe zu Gott sich selbst liebt.
Bei dem Weltgerichte wird nicht mehr gestraft werden, was schon durch die Beichte nachgelassen ist.
Wie kannst du verlangen, dass dir viel verziehen werde, wenn du dich nicht dazu verstehen willst, deinem Mitmenschen wenig zu verzeihen.
Was man zum Unterhalt der Armen gibt, verringert das Vermögen nicht, sondern vermehrt es.
Man muss sich nicht einfallen lassen, als könne man etwas Großes zur Ehre Gottes tun ohne große Hindernisse oder Versuchung; denn wo kein Streit ist, da ist auch kein Sieg.
alles aus: Legende von den lieben Heiligen Gottes. Nach den besten Quellen bearbeitet und herausgegeben. Stadtpfr. Georg Ott, mit oberhirtlicher Gutheißung, Verlag F. Pustet, 1858
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