Mittwoch, 7. November 2012

Die Folgen der Weltliebe

Der Gegen­satz zur Got­tes­liebe ist die Welt­liebe. So kalt und grau­sam auch ein Mensch sein mag, an irgend­et­was wird sein Herz hän­gen. Der Mensch ist nun ein­mal kraft sei­ner Natur dazu geschaf­fen, etwas zu lie­ben, und wenn es nicht Gott ist, dann ist es ein Geschöpf. Welt­liebe hat der­je­nige, der an der Stelle Got­tes irgend­ein Geschöpf, sei es das Essen oder Trin­ken, sei es die Geschlechts­lust, sei es die Kar­riere, so ver­ehrt, wie man nur Gott ver­eh­ren darf.

Der Mensch, der Welt­liebe hat, ist also ein Göt­zen­die­ner. Er ent­zieht Gott die schul­dige Ehre und Liebe und wen­det sie einem Geschöpf zu. Selbst­ver­ständ­lich dür­fen wir die Geschöpfe lie­ben, aber wir müs­sen sie lie­ben in der rech­ten Ord­nung, und das heißt eben in Unter­ord­nung unter den Schöp­fer. 

Wer ein Geschöpf mehr liebt als den Schöp­fer, der hat Welt­liebe, in dem ist die Got­tes­liebe nicht.

Die Hei­lige Schrift bringt so man­che Bei­spiele von Men­schen, die Welt­liebe hat­ten. Der Absa­lom im Alten Bund war ein Mensch, dem es um Kar­riere und Anse­hen, um Bei­fall ging, mehr als um die Ehre Got­tes. Der rei­che Pras­ser war einer, der im Essen und Trin­ken sein Genü­gen fin­den wollte. Und wir alle wis­sen, daß diese Gefahr, der Welt­liebe zu ver­fal­len, auch auf uns lau­ert.

In der Zeit des Drit­ten Rei­ches haben wir es erlebt, wie so man­cher Mensch Kir­che, Glau­ben, Reli­gion sei­nem Fort­kom­men, sei­ner Beför­de­rung, sei­ner Kar­riere geop­fert hat. 
Wir wis­sen nicht, was in einem Jahr oder in zwei Jah­ren oder in zehn Jah­ren bei uns sein wird, ob wir nicht auch vor die Ent­schei­dung gestellt wer­den, zwi­schen Gott, der Got­tes­liebe und der Welt, der Welt­liebe zu wäh­len.

Die Welt­liebe hat vier schlimme Fol­gen:

Ers­tens: Durch die Welt­liebe ver­liert man die hei­lig­ma­chende Gnade und die ewige Selig­keit. Es kann im mensch­li­chen Her­zen nicht gleich­zei­tig Got­tes­liebe und Welt­liebe beste­hen. Wer der Welt­liebe den Vor­zug gibt, des­sen Seele ist eben erfüllt davon, und da ist kein Platz für die Got­tes­liebe. 
Der Mensch mit der Welt­liebe lebt ohne die hei­lig­ma­chende Gnade, stirbt also schon hier den geist­li­chen Tod und wird in Ewig­keit ver­lo­ren­ge­hen; denn wer von hier abschei­det ohne die hei­lig­ma­chende Gnade, der wird in die Fins­ter­nis gewor­fen, wo Heu­len und Zäh­ne­knir­schen ist.
„Wer sein Leben liebt, der wird es ver­lie­ren,“ sagt der Hei­land. Er meint damit, wer sein irdi­sches Leben so liebt, daß man eben alles an die­ses setzt und auf das ewige Leben ver­gißt, der wird das ewige Leben ver­lie­ren. „Wehe euch, die ihr jetzt gesät­tigt seid, ihr wer­det hun­gern! Wehe euch, die ihr jetzt lacht, ihr wer­det wei­nen!“ Damit spielt der Herr auf die Folge der Welt­liebe an, die wir hei­ßen: Ver­lust des ewi­gen Lebens.

Die zweite Folge der Welt­liebe ist: Durch die Welt­liebe ver­liert man die innere Ruhe und fürch­tet sich über­mä­ßig vor dem Tod. Der Mensch, in dem die Welt­liebe ist, ist stän­dig auf der Jagd nach immer neuen Genüs­sen und immer neuen Befrie­di­gun­gen. „Zwi­schen Sin­nen­freude und See­len­frie­den bleibt dem Men­schen die bange Wahl,“ sagt der Dich­ter. Man kann nicht bei­des haben, Sin­nen­freude und See­len­frie­den, so meint er. 
Und so geht es dem Men­schen ähn­lich wie einem, der schlaf­los ist. Er wälzt sich von einer Seite auf die andere, er sucht immer seine Befrie­di­gung, aber er fin­det sie nicht. Er ver­gißt auf das Wort, das der Herr gespro­chen hat: „Den Frie­den hin­ter­lasse ich euch, mei­nen Frie­den gebe ich euch, nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch.“ 
Durch die Welt­liebe ver­liert man die innere Ruhe und fürch­tet sich über­mä­ßig vor dem Tode; denn der Mensch mit Welt­liebe weiß, im Tode ver­läßt ihn alles, woran er sein Herz gehängt hat. Im Tode, da wird er ver­las­sen von den Din­gen, in denen er sein Glück und seine Befrie­di­gung suchte.

Drit­tens: Die Welt­liebe ver­blen­det den Men­schen und zieht ihn von Gott ab. Denn die Welt­liebe stellt zwi­schen Gott und den Men­schen die Geschöpfe, und dadurch gerät Gott aus der Sicht. 
Es ist so, wie wenn sich zwi­schen den Mond und die Sonne die Erde stellt, da ent­steht eine Mond­fins­ter­nis. 
Ähn­lich ist es bei dem Men­schen, der Welt­liebe hat. Er hat kei­nen Geschmack mehr für die gött­li­chen Dinge, er ver­liert das Intersse an Reli­gion und Glaube, die Welt­liebe ver­blen­det ihn, ver­fins­tert sei­nen Ver­stand, ver­knö­chert sein Herz und zieht ihn von Gott ab. Wir Seel­sor­ger haben das manch­mal erschüt­ternd erlebt an Jugend­li­chen. 
Ich erin­nere mich an einen Jun­gen, der zunächst eif­rig in der katho­li­schen Jugend mit­ar­bei­tete, aber er hatte ein Hobby, näm­lich er war ein lei­den­schaft­li­cher Kanu­fah­rer, und Kanu fährt man halt meis­tens am Sonn­tag. So mußte ich beob­ach­ten, wie er immer weni­ger Bin­dung an die Kir­che zeigte, immer sel­te­ner kam und schließ­lich ganz weg­blieb. Die Welt­liebe hatte die Got­tes­liebe über­wäl­tigt.

Vier­tens: Die Welt­liebe führt zu Haß gegen Gott und seine Die­ner. „Nie­mand kann zwei Her­ren die­nen,“ sagt der Herr. „Ent­we­der wird er den einen has­sen und den ande­ren lie­ben oder dem einen anhan­gen und den ande­ren ver­ach­ten.“ Nie­mand kann zwei Her­ren die­nen. 
Wer die Welt liebt, wie man sie nicht lie­ben darf, in dem ist nicht die Liebe Got­tes, und es kann sein, daß Gott als der Stö­ren­fried der Welt­liebe all­mäh­lich gehaßt wird. Und da man Gott ja nicht unmit­tel­bar krän­ken kann, rich­tet sich der Haß gegen seine Die­ner. 
Wenn man also einen Men­schen ken­nen­lernt, der gif­tig ist gegen Kir­che, Reli­gion und Pries­ter, da muß man immer fra­gen: Ist für ihn nicht die Welt­liebe über­mäch­tig gewor­den? 
Der hei­lige Jako­bus sagt: „Wer die Welt liebt, der ist ein Feind Got­tes.“ Welt ist hier natür­lich ver­stan­den nicht als Got­tes Geschöpf, son­dern als die Welt, die im argen liegt, die eine Ver­su­chung bedeu­tet, deren Fürst der Teu­fel ist. Also nicht die Schöp­fung, die ja gut ist, ist hier gemeint, son­dern die Welt, wie sie von den Men­schen infolge Ver­füh­rung des Teu­fels ver­wüs­tet wird.

Schließ­lich geht die Welt­liebe über in die gänz­li­che Ver­fins­te­rung des Men­schen. 
Wir, meine lie­ben Freunde, wol­len uns an die Brust klop­fen und fra­gen: Sind wir etwa auch in gerin­ge­rem oder grö­ße­rem Maße von der Welt­liebe beein­flußt? Müs­sen wir uns nicht ent­schie­de­ner als bis­her der Got­tes­liebe zuwen­den? 
„Wähle den zum Freunde, der dich nicht ver­läßt, wenn alles dich ver­läßt,“ sagte ein­mal der hei­lige Augus­ti­nus. Ja, das ist wahr­haf­tig klug und das ist christ­lich. Wähle den zum Freunde, der dich nicht ver­läßt, wenn alles dich ver­läßt! „Suchet, was dro­ben ist!“ Dro­ben, da ist unser Herr und Hei­land, da ist der Him­mel der Selig­keit, auf den wir zuschrei­ten. „Suchet, was dro­ben ist!“

Diese Predigt wurde im Jahre 1988 von Prof. Georg May gehalten.



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