Maura hat ihrem Ehegatten zu einer sehr großen Sünde geraten, da sie ihm zugemutet, wenigstens dem Scheine nach den Göttern zu opfern. Sie sah nicht ein, dass man seinen heiligen Glauben aufrichtig und offen bekennen und auch den Schein einer Verleugnung desselben vermeiden müsse. Timotheus gab ihr auch die rechte Antwort auf ihren sündhaften Rat. —
Ähnliche Versuchungen zur Sünde durch bösen Rat sind auch jetzt nicht selten. Leider ist es so, dass sich so manche Christen nichts daraus machen, ihren Mitmenschen, wenn dieselben in irgendeiner Verlegenheit sind, oder wenn sie einem Unglück entgehen, einem Schaden ausweichen, irgend einen Vorteil erringen können, zum Verderben ihrer Seele Ratschläge zu geben.
So gibt es Betrüger, die allerhand unerlaubte Mittel anraten, um Krankheiten zu heilen, Schätze zu graben. Andere raten zu ungerechten Prozessen, zu Übervorteilung ihres Nächsten bei Handel und Wandel. Mütter raten ihren Töchtern zu gottlosen Bekanntschaften, um sie an den Mann zu bringen. Gewissenlose Menschen raten jungen Männern allerhand Mittel an, um dem Soldatenstand zu entgehen. Liederliche Frauen geben oft sogar Ratschlag, wie gefallene Mädchen der Schande entgehen können, und machen sie zu Mörderinnen! Herrschaften raten ihren Dienstboten, Verwandte ihren Freunden, Nachbarn ihren Nachbarn, wie sie ihre Rache kühlen, ihren Beleidigern oder Feinden Schaden zufügen können u. s. w.
O wie viele Sünden laden sich solche Ratgeber auf die Seele! Sie meinen, weil sie selbst das böse Werk nicht tun, sondern nur den Rat dazu geben, so seien sie ohne Schuld, denken aber nicht daran, dass man sich auch fremder Sünden teilhaftig machen kann, wenn man Anlaß dazu gibt, und dass Jesus ein schreckliches Wehe über jene ausgestossen, die ihren Mitmenschen Ärgernis geben, sie auf irgend eine Weise zur Sünde verleiten. —
Übrigens straft sich diese Sünde des bösen Rates nicht selten an dem, der ihn gibt, wie es in der heiligen Schrift heißt: „Der böse Rat fällt auf den zurück, der ihn gibt, und er wird nicht wissen, woher dieses kommt." Eccli. 27, 38, 30. „Den Gottlosen wird sein eigener Rat stürzen." Job 18, 7. „Keiner kann verborgen bleiben, der Unrecht redet, und das Strafgericht wird ihn nicht verfehlen." Weish. 1, 8. — Hüte dich also lieber Leser! vor der Sünde des bösen Rates. Überlege wohl, ehe du einen Rat erteilest, ob derselbe nicht zum Verderben deines Nächsten ausschlage, und deine eigene Seele nicht mit hineinziehe! —
Nimm aber auch niemals einen bösen Rat an, und gedenke deshalb der Worte der Schrift: „Mein Sohn, wenn dich die Sünder locken, so folge ihnen nicht. Gehe nicht mit ihnen! Halt zurück deinen Fuß von ihren Wegen; denn ihre Füße laufen zum Bösen und sie eilen, Blut zu vergießen."(Sprüchw. 1,10. 15,16.) '
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Gebet. Gütigster Herr Jesu Christe! hilf mir, dass ich meine Zunge bezähme, damit ich sie niemals gebrauche zu einem bösen Rate, der mir und meinem Nebenmenschen zum Verderben gereichen könnte. Amen.Alles aus: Legende von den lieben Heiligen Gottes. Nach den besten Quellen bearbeitet und herausgegeben. Stadtpfr. Georg Ott, mit oberhirtlicher Gutheißung, Verlag F. Pustet, 1858
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