Der heilige Stephanus war der erste, der für seinen Heiland in Kampf und Tod ging; hoch in Ehren hält ihn daher die Kirche, aber eben so hoch ehrt sie seine hochherzige Gesinnung gegen seine Feinde.
Steinigung des hl. Stephanus Annibale Carracci (1603-04) |
Wer bewundert nicht den christlichen Helden der Liebe, der, den Tod vor Augen, noch für seine rasenden Feinde zum Himmel ruft: „Herr! rechne ihnen dies nicht zur Sünde an!"
Gebet der Kirche am Feste des heiligen Stephanus.
Schenke uns, o Herr! wir bitten dich, die Gnade, dass wir dasjenige nachahmen, was wir an Stephanus verehren, nämlich, dass wir lernen, selbst unsere Feinde zu lieben, indem wir die Geburt desjenigen feiern, der auch für seine Verfolger bitten konnte unsern Herrn Jesum Christum. Amen.
Alles aus: Legende von den lieben Heiligen Gottes. Nach den besten Quellen bearbeitet und herausgegeben. Stadtpfr. Georg Ott, mit oberhirtlicher Gutheißung, Verlag F. Pustet, 1858
Doch nicht bloß bewundern sollst du, wie er seinen Feinden verziehen hat, sondern auch du sollst deinen Feinden, allen, die dich betrübten, beleidigten, dir Unrecht zufügten, von Herzen verzeihen. — Und du mußt dies tun, christliche Seele, wenn du selig werden willst. Du magst beten, fasten, Almosen geben, du magst noch so viele gute Werke üben, trägst du aber Groll, Haß und Rache gegen deinen Nebenmenschen im Herzen, und verzeihst du ihm nicht vom Herzen, dann bist du ewig verloren.
Christus hat die Feindesliebe geboten, ja er hat nicht bloß geboten, die Feinde zu lieben, sondern sogar für sie zu beten und ihnen Gutes zu tun.
Hassest du deinen Feind, so übertrittst du das ausdrückliche Gebot deines Herrn und Heilandes, und bist so lange ein Feind Christi, als du ein Feind deines Mitbruders bist. — So lange du Groll im Herzen trägst gegen deinen Nebenmenschen, bist du auch kein Christ.
Der Christ trägt nur dann diesen Namen wahrhaft, wenn er seine Leidenschaften, also auch Zorn, Hass, Abneigung, Rache unterdrückt und die Liebe in seinem Herzen herrschen lässt, welche eben das Kennzeichen des Christen ist. Wie kannst du aber selig werden, wenn du kein wahrer Christ bist?
So lange du in Feindschaft lebst, kannst du das vorzüglichste Gebet des Christen, das heilige Vater unser, nicht recht beten; es gereicht dir nicht zum Segen, sondern zum Verderben. So oft du betest: „Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern," bist du ein Lügner.
Ja, was noch schauerlicher ist, du bist sogar ein Mörder; denn so schreibt der heil. Johannes: „Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Mörder." Kann aber ein Mörder selig werden? Darum mahnt uns auch Jesus so dringend, über den Zorn nicht die Sonne untergehen zu lassen, sondern alsbald die Hand zur Versöhnung zu reichen, damit wir nicht plötzlich vom Tode überfallen, ewig verloren gehen!
— Allein, da entschuldigen sich so manche mit der Unmöglichkeit, den Feinden zu vergeben. Sie sagen: „Unsere Natur ist so sehr zur Rachsucht geneigt, dass es ihr nicht möglich ist, den Groll aus dem Herzen zu vertreiben." Es ist wahr, unsere Natur neigt sich gerne zum Zorne, zum Hasse und zur Rachsucht, oft bei der geringsten Beleidigung; allein soll es nicht möglich sein, über diese Neigung Herr zu werden? Jesus kennt gewiss unsere Natur, soll er Etwas geboten haben, was unserer Natur unmöglich ist?
Er befiehlt aber nicht bloß, dass wir vergeben, sondern auch, dass wir unsere Feinde lieben, ihnen Gutes tun; verlangt er damit etwas Unmögliches? O nein!
Am Tage des Gerichtes wird er jenen, welche in Feindschaft starben, seine Heiligen vorführen, den heiligen Stephanus an ihrer Spitze, und zu ihnen sagen: Kennt ihr diese? Waren sie nicht auch Menschen, wie ihr, zum Zorne, zur Rachgier geneigt? Hat ihnen nicht auch die Beleidigung, das Unrecht, so ihnen zugefügt worden, wehe getan? Seid ihr etwa ärger beleidigt, schrecklicher misshandelt worden, als sie? Seid ihr auch gesteinigt worden, wie Stephanus?
Ja, Jesus selbst wird ihnen seine Wunden zeigen, und zu ihnen sprechen: Sehet an diese Wunden, die mir meine Feinde am Kreuze geschlagen! Welch große Schmerzen verursachten sie mir, und doch habe, ich unter Todesschmerzen am Kreuze noch gebetet: „Vater! verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!"
Mein Beispiel hätte euch belehren sollen, zu tun, wozu ich euch die Gnade erworben habe. Mit meiner Gnade, die ich euch nicht vorenthielt, hättet ihr die Rachsucht überwinden, den Hass in euern Herzen tilgen können, aber ihr wolltet nicht.
Sieh, christliche Seele, so wird Jesus auch zu dir sprechen, wenn du nicht verzeihst und dich vollkommen aussöhnst mit deinem Feinde, und welches Gericht wird über dich gehen?
„Willst du also, dass du dem Gerichte entgehest, so verzeihe, sagt der heilige Chrysostomus, bereitwillig im Herzen, mit dem Munde und in der Tat. Hasst dich einer, so liebe ihn vom Herzen, hat dir Jemand geschadet mit dem Munde, so öffne du deinen Mund zum frommen Gebete für ihn; hat dich einer im Werke beleidigt, so erweise ihm dafür Wohltaten und Liebesdienste.
O gesegnete Rache (dieser Art) , — Frieden bringend dem Nächsten und Gott dem Herrn so wohlgefällig!"
Gebet der Kirche am Feste des heiligen Stephanus.
Schenke uns, o Herr! wir bitten dich, die Gnade, dass wir dasjenige nachahmen, was wir an Stephanus verehren, nämlich, dass wir lernen, selbst unsere Feinde zu lieben, indem wir die Geburt desjenigen feiern, der auch für seine Verfolger bitten konnte unsern Herrn Jesum Christum. Amen.