„(…) So ist es denn augenscheinlich, dass die Unbedachtsamkeit* die Sünder blind macht. Der zweite Grund jener schuldbaren Verblendung liegt aber in der Leidenschaft.
Die Leidenschaften erzeugen in unserem Verstande und in unserem Herzen die gleiche Wirkung, die unser Auge von einem Kristallglase erfährt, wenn das Licht durch dasselbe geht. Zuerst wird das Licht in dem Glase gebrochen und dann auf verschiedene Weise gefärbt.
Betrachtet einmal ein Licht, das ihr anzündet hinter einem grünen Glase. Das Licht kommt zunächst nicht mehr so gerade wie früher zu eurem Auge, sondern seine Strahlen haben durch die Brechung die Richtung geändert; dann aber gelangt es auch nicht mehr in dem ihm eigenen Glanze zu euch, sondern in jene dunklere Farbe gekleidet, welche dem Glase eigen ist.
Etwas Ähnliches geschieht, wenn in uns irgendeine heftige Leidenschaft der Liebe oder des Hasses, der Furcht oder der Vermessenheit herrscht.
Die Wahrheit ändert da ihre Richtung und kommt nicht mehr auf geradem Wege zu uns. Ebenso ändert sie ihre Gestalt, in dem auch sie in die schlechten Eigenschaften jener verkehrten Seelenzustände gekleidet erscheint, so dass sie nicht leicht von uns erkannt werden kann, da wir wohl unschwer die Irrtümer unserer Augen berichtigen, weil das Sehen ein dem Verstande untergeordnetes Vermögen ist, wir aber nicht so leicht die Irrtümer des Verstandes selbst berichtigen, der das höchste Seelenvermögen ist.
Hierin liegt auch der Grund des so unglaublichen Vorgehens der Sünder.
Erinnert euch an Samson, der von der Buhlerin Dalila verraten wurde. Scheint es euch nicht unglaublich, dass ein Mann, der sonst so klug und weise war, sich nichts desto weniger immer wieder betören ließ, sein Leben einem Weibe anzuvertrauen, dass ebenso unzüchtig als treulos war und ihn schon so oft betrogen hatte? Und doch ließ er sich dazu verleiten, und sah nicht, was er sah – verblendet von der Leidenschaft, welche er zu jenem schlechten Weibe trug!
Diese Leidenschaft gestattete ihm nicht, die Gründe recht zu überdenken, welche ihn zu vernünftiger Einsicht geführt hätten, während sie ihm alle jene unablässig vorhielt, welche geeignet waren, den Verblendeten nur noch immer törichter zu machen.
Gott behüte euch, Geliebteste! vor einer zügellosen Leidenschaft! Denn sähet ihr auch die Hölle vor euch offen, ihr würdet davor nicht zurückschaudern, sondern das gleiche sagen, was ich leider selbst schon von mehr als Einem gehört habe: „Wenn ich in die Hölle komme, - sei es, ich bin doch nicht allein.“
O wie verschieden ist das Urteil, das man sich von einer und derselben Wahrheit bildet, wenn das Herz frei, und wenn es Sklave einer Leidenschaft ist! (...)"
Paul Segneri, S.J. (1624-1694) |
alles von P. Paul Segneri S.J, in "Die Verblendung des Sünders", aus „Der Christ in seinem Gesetze unterrichtet oder christliche Sittenreden, Dritter Band, Von der Sünde und ihren Folgen, Verlag G. J. von Manz, 1856*Das heißt, zu wenig darüber nachdenken, was der katholische Glaube im praktischen Verhalten vom Gläubigen fordert.
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