Samstag, 18. Mai 2013

Auf welche Weise wir die Nächstenliebe durch unsere Gedanken üben müssen

Vom hl. Alfons Maria von Liguori, Kirchenlehrer 

Vorerst müssen wir also die Nächstenliebe durch unsere Gedanken üben, indem wir ohne einen hinlänglichen Grund niemals lieblos über jemanden urteilen: Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Matth. 7,1.

Wer ohne hinlängliche Ursache urteilt, dass jemand eine Todsünde begangenen habe, der begeht hierdurch selber eine schwere Sünde; hat man dagegen nur verwegenen Argwohn, so macht man sich hierdurch wenigsten einer lässlichen Sünde schuldig. 
Hat man aber hinlängliche Ursache, ein Urteil zu fällen, oder einen Verdacht zu haben, so begeht man keine Sünde. 
Wer aber von wahrer Nächstenliebe beseelt ist, der glaubt nur Gutes von jedermann und schlägt solches Urteil, solchen Argwohn aus dem Sinn: Die Liebe denkt nichts Arges. 1. Kor. 13, 5.

Desungeachtet sind jene, die dem Hauswesen vorstehen, verpflichtet, immer das Böse zu befürchten, was die Mitglieder der Familie begehen könnten. 
Einige leichtsinnige Hausväter und Hausmütter sehen es ruhig mit an, wie der Sohn mit schlechten Gefährten Umgang hat, wie er häufig jene Häuser besucht, wo junge Leute beiderlei Geschlechts zusammen kommen; sie sehen wie die Tochter sich allein mit Männern unterhält, und lassen das alles zu, indem sie sagen, ich will mich nicht mit bösen Gedanken aufhalten. 
Ach, welche Torheit ist das, da wir doch in solchen Fällen verpflichtet sind, das Böse, das geschehen kann, zu argwöhnen, und die Kinder zurechtzuweisen, damit das Böse nicht wirklich geschehen.

Wer indes das Hauswesen nicht zu leiten hat, der muss sich hüten, die Fehler und Handlungen der anderen auszuspähen.

alles aus: Gesammelte Predigten, dreißigste Predigt


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