Freitag, 31. Oktober 2014

Was haben das Konzilsdokument "Gaudium et Spes" und die Enzyklika "Mater et Magistra" mit der Familiensynode zu tun?

Die Familiensynode unter Papst Franziskus benutzte ausschließlich den Dreischritt: Sehen, Urteilen, Handeln.

Das Konzilsdokument Gaudium et Spes (Über die Kirche in der modernen Welt) führte diesen Dreischritt "Sehen, Urteilen, Handeln", der, wie hier beschrieben, ursprünglich von den "Harvard-Case-Studies" kommt, zum zweiten Mal "offiziell" in die katholische Kirche in. 


Dass das in diesem Konzilsdokumemt eingebaut ist, kann man allerdings nur erkennen, wenn interessante Progressive erklären (z.B. in diesem Buch*), was dort wirklich steht, und dass das für sie ungeheuer wichtig, weil ungeheuer revolutionär war und eine "monumentale Änderung der Methodik" darstellte. 


Was war die monumentale Änderung? 

Damit wurde von der bis dahin immer angewendeten deduktiven Methode, die die katholische Lehre in den Mittelpunkt stellt und nur von dieser Lehre Anweisungen für den Einzelfall ableitet (top-to-bottom) zur induktiven Methode gewechselt, die den Einzelfall in den Mittelpunkt stellt und von ihm Anweisungen ableitet (bottom-to-top).

Hier das Konzilsdokument, fett ist der darin erkennbare Dreischritt:

DIE SITUATION DES MENSCHEN IN DER HEUTIGEN WELT

4. Hoffnung und Angst

Zur Erfüllung dieses ihres Auftrags obliegt der Kirche allzeit die Pflicht, 

nach den Zeichen der Zeit zu forschen 

und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. 

So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben

Es gilt also, die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen.

http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19651207_gaudium-et-spes_ge.html

Die "Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums zu deuten", bedeutet in der Praxis leider Teile des Evangeliums - im protestantischer Manier -  ohne die dazugehörige lehramtliche Erklärung zu verwenden und dadurch den Sinn so zu verdrehen, dass er zum Einzelfall passt. 
Aktuell ist das z. B. bezüglich "wiederverheirateter Geschiedener" die Behauptung, Gott sei immer allen Sündern barmherzig, wobei tunlichst verschwiegen wird, dass das nur für reumütige Sünder gilt, die vollkommen umkehren, d. h. von ihrer bisherigen Sünde in Zukunft lassen wollen.


In "Mater et Magistra" wurde der Dreischritt schon eingeführt

Zuerst wurde die induktive Methodik und damit der Dreischritt Sehen, Urteilen, Handeln in "Mater et Magistra" von Papst Johannes XXIII. eingeführt:
236. Die Grundsätze der Soziallehre lassen sich gewöhnlich in folgenden drei Schritten verwirklichen:  
Zunächst muß man den wahren Sachverhalt überhaupt richtig sehen 
dann muß man diesen Sachverhalt anhand dieser Grundsätze gewissenhaft bewerten 
schließlich muß man feststellen, was man tun kann und muß, um die überlieferten Formen nach Ort und Zeit anzuwenden 
Diese drei Schritte lassen sich den drei Worten ausdrücken: sehen, urteilen, handeln.
http://www.vatican.va/holy_father/john_xxiii/encyclicals/documents/hf_j-xxiii_enc_15051961_mater_ge.html

Mater et Magistra wurde übrigens weltweit viel beklatscht von Progressiven, Freimaurern und Kommunisten.

Mit diesem Dreischritt wurde der Einzelfall und vor allem dessen subjektive Gefühle und "menschliche Erfahrungen in der jeweiligen Zeit" in den Mittelpunkt gestellt.

Die Anwendung dieses Dreischrittes in der Familiensynode führt dann in "der Welt, in der wir leben", dazu, dass Progressive titeln:
The biggest unreported synod influence: human experience.
übersetzt: 
Der größte Einfluss auf die Synode, über den nicht berichtet wurde: menschliche Erfahrung.

"Echte" menschliche Erfahrung im "hier und jetzt" war ja auch das, was Papst Franziskus mit seiner die Familiensynode einleitenden weltweiten Umfrage sammeln wollte.
Ewige Sammlung von rein subjektiven Einzelmeinungen und anschließende ewige Diskussion gehört nämlich zum Dreischritt-Teil "Sehen" dazu. 

Von der Verlagerung auf die subjektive Situation und Meinung werden wir in Zukunft wohl noch mehr sehen, denn damit kann man prima die immer objektive katholische Lehre schachmatt setzen.

* entsprechendes Zitat aus oben verlinktem Buch:
The same CELAM meeting brought another structural change of note: the conference would use a now famous methodology that would follow the trinomial of the Vatican Council Gaudium et Spes (The Church in the Modern World): facts/reflection/ recommendations. 
The change in methodology was monumental: it represented a shift from a perspective that was dogmatic, deductive and top-to-bottom to one that was exploratory, inductive, and bottom-to-top. 
If nothing more than this structural change had been made, a giant step would have been taken. In fact, much more advancement than just methodological would be achieved.
http://opcentral.org/resources/2014/09/05/chapter-2/

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