Montag, 22. Februar 2016

Die geistigen Werke der Barmherzigkeit erklärt von einem sehr guten Kardinal

An der gleichen Stelle, da der Katechismus von den leiblichen Werken der Barmherzigkeit spricht, nennt er auch sieben geistige Werke der Barmherzigkeit:
  1. Die Sünder zurechtweisen, 
  2. die Unwissenden lehren, 
  3. den Zweifelnden recht raten, 
  4. die Betrübten trösten, 
  5. das Unrecht geduldig erleiden, 
  6. denen, die uns beleidigen, gerne verzeihen, 
  7. für die Lebenden und die Toten beten.
Diese Werke heißen geistige Barmherzigkeit, weil sie unmittelbar den Seelen der Mitmenschen einen guten Dienst erweisen.

So gewiss es neben der leiblichen wirtschaftlichen Not eine geistige und sittliche Not gibt – auch die Seelen rufen nach Brot und Licht, nach Heimat und Pflege 
, so gewiss muss es neben der leiblichen Nothilfe eine Fürsorge für die Seelen geben. 

So gewiss die geistige Not der Zeit noch größer ist als die leibliche, weil sie auch jene erfasst, die nicht wirtschaftliche Not leiden, so gewiss ist die Barmherzigkeit an den Seelen noch notwendiger als die leibliche Barmherzigkeit.
(..) 
Die leibliche Not macht sich bemerkbar. Die Not der Seelen ist meist still und totgeschwiegen. 
Wir müssen acht haben, dass wir über der lauten leiblichen Not die stille Seelennot nicht übersehen.
(…)

Das erste Werk „Die Sünder zurechtweisen“ ist im Evangelium geboten: „Hat Dein Bruder gesündigt, sollst du ihn zurechtweisen“ (Luk.17, 3). 
Nicht aus Scheinheiligkeit, die in fremden Augen jeden Splitter, im eigenen Auge nicht einmal den Balken sieht! Nicht aus Klatschsucht und Rachsucht, überhaupt nicht aus selbstsüchtigen Gründen, sondern aus Barmherzigkeit mit der Seele des Bruders! 

Zuerst müssen wir ein mea culpa sprechen. Wenn aber der Herr fragt: „Wo ist Abel, dein Bruder?“, dürfen wir nicht ausweichend antworten: „Bin ich denn der Schutzmann meines Bruders?“ (Gen.4, 9.) 
„Hat dein Bruder gesündigt, sollst du ihn zurechtweisen.“ Zuerst unter vier Augen, nicht vor fremden Ohren, dann vor Zeugen, zuletzt vor der Kirche (Mat.18,15-7). 
Einerseits schonend, anderseits bestimmt und ohne Menschenfurcht. 
Aus diesem Heilandswort ist die christliche Tugend der brüderlichen Zurechtweisung heraus gewachsen. 

Wenn wir wissen, da oder dort besteht für einen Mitmenschen die Gefahr der schweren Sünde, für die Umgebung die Gefahr schweren Ärgernisses, haben wir die Pflicht, ihn zur Rede zu stellen, außer wir müssten mit Grund fürchten, Sünde und Ärgernis noch größer zu machen. 

Gar leicht kann es also unsere Pflicht werden, in einer Versammlung, in einer Gesellschaft, in der Straßenbahn zu erklären: das und das ist nicht wahr, das ist Verleumdung. 

Erforschen wir unser Gewissen nicht bloß darüber, ob wir die Demut gehabt haben zu schweigen, sondern auch darüber, ob wir den Freimut gehabt haben, zu reden, wo wir zur Rede stellen mussten. 

Die Sünder zurechtweisen ist im Besonderen den geistlichen Hirten und Oberhirten auf das Gewissen gebunden: „Du sollst zurechtweisen in aller Geduld und Lehrweisheit“ (2 Tim. 4,3). „Du sollst sie scharf zurechtweisen, damit sie im Glauben gesunden“ (Tit.1, 13). 
Die Hirten und Oberhirten müssen die gesunde Glaubenslehre bewahren und in der sittlichen Ordnung Weizen und Spreu auseinander halten. 

Wenn also die Bischöfe ihre Stimme erheben gegen heidnische Auswüchse und Leichenflecken an unserer christlichen Kultur, müssen die Gläubigen hinter ihren Bischöfen stehen. 

Das ist der tiefste Sinn des ersten Werkes geistiger Barmherzigkeit: wir sind mitverantwortlich für die Seele des Mitmenschen. 
(…) 
Gewiss darf man eine Seele nur mit Heilandshänden anfassen, vorsichtig und nachsichtig, aber der Gedanke soll uns nicht mehr loslassen: 
Wir sind mitverantwortlich für die Seele des Mitmenschen.

Fortsetzung folgt

alles aus der Allerseelen-Predigt, gehalten von Kardinal-Erzbischof Michael von Faulhaber im November 1931 im Münchner Dom.

Kardinal Faulhaber hatte eine besondere Begabung, die katholische Glaubens- und Sittenlehre so einfach und gleichzeitig anschaulich und unterhaltsam zu formulieren, dass wirklich jeder sie verstehen kann. 

Da die geistlichen Hirten und Oberhirten ihrer von Kardinal Faulhaber so trefflich beschriebenen Pflicht heute fast fächendeckend nicht mehr nachkommen, lohnt es sich sehr zur eigenen (Gewissens)bildung, Bücher seiner Predigten und Vorträge anzuschaffen, wie z.B. 
Zeitfragen und Zeitaufgaben: gesammelte Reden; Zeitrufe Gottesrufe: gesammelte Predigten; Rufende Stimmen in der Wüste der Gegenwart: gesammelte Reden, Predigten, Hirtenbriefe; dies alles und noch mehr von ihm ist erhältlich hier.



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