Sermo XCV. Homilie über die Seligkeiten der Bergpredigt.
8.
"Selig sind, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen!"1 . Großes Heil widerfährt denen, Geliebteste, auf die ein solcher Lohn wartet.Was heißt aber ein reines Herz haben anderes als nach Tugenden streben, wie sie von uns soeben genannt wurden?
Wessen Verstand könnte es fassen und wessen Zunge es schildern, welche Seligkeit in der Anschauung Gottes liegt? Und doch wird uns dies Glück zuteil werden, wenn dereinst unsere Natur verklärt ist.
Dann wird sie die Gottheit, die noch kein Mensch sehen konnte2 , in ihrem ganzen Wesen schauen, nicht mehr wie "durch einen Spiegel" oder "im Rätsel", sondern "von Angesicht zu Angesicht"3 . Dann wird sie sich inmitten unbeschreiblicher Freuden in alle Ewigkeit an dem weiden,"was noch kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und noch in keines Menschen Herz gedrungen ist"4 .
Mit Recht wird eine solche Seligkeit gerade dem reinen Herzen verheißen; denn das Auge des im Schmutze Lebenden könnte den Glanz des wahren Lichtes gar nicht ertragen.
Was also für lautere Seelen eine Wonne sein wird, das ist für unreine eine Qual. Laßt uns darum das Dunkel weltlicher Eitelkeit fliehen! Laßt uns die Sehkraft unseres Geistes von aller sie trübenden Ungerechtigkeit rein erhalten, damit sie sich an Gottes so herrlichem Anblick freudig laben kann!
Der Erreichung dieses Zieles gilt, wie wir sehen werden, auch der folgende Ausspruch: "Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden!"
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