Wie unendlich barmherzig Gott ist, das kannst du, christlicher Leser, an den beiden Schwestern sehen , welche sich der größten Sünde, der Verleugnung des heiligen Christusglaubens, schuldig gemacht haben, aber doch von Gott wieder aufgenommen worden sind, als sie reumütig zu ihm sich wendeten. (Anmerk.: deren Bekehrungsgeschichte findet sich hier in der Heiligenlegende der hl. Dorothea)
Kein Sünder, auch der größte nicht, darf verzagen und verzweifeln. — Warum wartet denn Gott oft so lange auf den Sünder; warum duldet er es, dass er in seinem Trotz Sünden auf Sünden häuft? Weil er barmherzig ist!
Warum segnet oft Gott den Sünder mit den größten Wohltaten? Deswegen, um ihn durch lauter Güte zur Umkehr zu bewegen.
Warum sendet Gott auch dem Sünder mancherlei Leiden und Unglück? Um ihn zur Erkenntnis und Bekehrung zu bringen.
Wie ein guter Hirt das verlorene Schäflein, so sucht Gott den Sünder auf, und kommt der Sünder endlich zur Besinnung, kennt er sein Unrecht, wendet er sich wieder vertrauensvoll zu seinem Vater im Himmel, so öffnet er gleichsam seine Arme und nimmt ihn auf und an als sein Kind. Kann es eine größere Barmherzigkeit geben?
Aber ach, wie wenige lassen sich durch diese Barmherzigkeit zur Buße leiten. Gerade weil Gott so gut ist, sind sie so böse und trösten sich mit den Worten des heil. Johannes: „Gott ist die Liebe."
Ja Gott ist die Liebe, aber er ist auch gerecht, das darf man nicht vergessen. Er hasst die Sünde und straft sie gewiß, wenn das Maß voll geworden. Und diese Strafe wird dann so groß, so unendlich sein wie seine Barmherzigkeit.
O laß dich doch, meine Seele, nicht betrügen von jenen sogenannten Aufgeklärten, die sich immer mit der Liebe und Barmherzigkeit Gottes trösten.
Schaue nur an das Kreuz, da kannst du die Liebe, aber auch die Gerechtigkeit Gottes sehen.
Wenn Gott seines Sohnes nicht geschont, und ihn dem Tod hingegeben, um die Sünder zu retten, so zeigt dies von seiner Liebe, wenn er aber eben diesen Sohn am Kreuze sterben ließ, weil er unsere Sünden auf sich genommen, so zeigt dies auch seine Gerechtigkeit.
Schaue nur an das Kreuz, da kannst du die Liebe, aber auch die Gerechtigkeit Gottes sehen.
Wenn Gott seines Sohnes nicht geschont, und ihn dem Tod hingegeben, um die Sünder zu retten, so zeigt dies von seiner Liebe, wenn er aber eben diesen Sohn am Kreuze sterben ließ, weil er unsere Sünden auf sich genommen, so zeigt dies auch seine Gerechtigkeit.
Darum sprach Jesus zu den weinenden Frauen: „Wenn das am grünen Holz geschieht, was wird am dürren geschehen?" als wollte er sagen: Wenn ich unschuldig wegen eurer Sünden so viel leiden muß, was werdet ihr mit Schuld beladen für euere Sünden leiden müssen, da für euch mein Blut vergeblich geflossen ist."
O bedenke dies, meine Seele, und fliehe die Sünde; und wenn du gesündigt, so kehre reumütig zu deinem Vater im Himmel zurück, so lange es noch Zeit ist.
aus: Legende von den lieben Heiligen Gottes. Nach den besten Quellen bearbeitet und herausgegeben. Stadtpfr. Georg Ott, mit oberhirtlicher Gutheißung, Verlag F. Pustet, 1858
aus: Legende von den lieben Heiligen Gottes. Nach den besten Quellen bearbeitet und herausgegeben. Stadtpfr. Georg Ott, mit oberhirtlicher Gutheißung, Verlag F. Pustet, 1858